Abgang
von Peter Müller markiert Desaster der Jamaika-Koalition im
Saarland
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Der Rücktritt
des CDU-Landesvorsitzenden von seinem Posten als
Ministerpräsident markiert das Scheitern der von ihm
geführten CDU-, Grüne- und FDP-Landesregierung.
Diese Jamaika-Regierung
wurde 2009 als Betrug am Wählerwillen mit dem Ziel
installiert, einen Politikwechsel und eine mögliche Abkehr von
einer neoliberalen Regierungsvariante im Land zu verhindern. Diesen
Auftrag seitens der im Saarland dominierenden Kapitalkreise und des
rechts-konservativen Lagers hat diese Regierung weitgehend erledigt.
Eine durchgreifende Schulreform wurde verhindert. Das Land und die
Städte und Gemeinden wurden unter die Knute der Schuldenbremse
gezwungen. Das Saarland bleibt Standort für
Kriegseinsätze in Afghanistan und anderswo. Im Jahr 2012 wird
- energiepolitisch unsinnig - die letzte Grube geschlossen.
Die Jamaika-Koalition
befindet sich in der Krise. Müller geht und flüchtet
in die Stelle eines Verfassungsrichters, während in
Untersuchungsausschüssen noch geprüft wird, ob unter
ihm alles nach Recht und Gesetz gelaufen ist. In einem
Rückblick bezeichnet Müller die Zeit als
Ministerpräsident als seine erfolgreichste. Erfolge
für wen? In der Bildungspolitik hat die grün-schwarze
Flickschusterei keinen einzigen Fortschritt im Sinne von Bildung und
Schule für alle gebracht. Die Arbeits- und Lebensbedingungen
haben sich für die arbeitenden Menschen, die Arbeitslosen,
für die große Mehrheit der Bevölkerung
weiter verschlechtert.
In einer Analyse zur
Einkommenssituation hat die Arbeitskammer des Saarlandes festgestellt,
dass die Lohneinkommen der Saarländerinnen und
Saarländer um 8,2 % niedriger als im westdeutschen
Durchschnitt liegen. Der Lohnrückstand gilt sowohl in der im
Saarland stark vertretenen Metall und Elektroindustrie als insbesondere
im Dienstleitungsbereich; dort ist ein Abstand von minus 10,4 % zu
verzeichnen. Die Lohnquote sinkt seit einem Jahrzehnt um 5,3 %. Im
Gegensatz dazu nimmt das Saarland beim Steigen der
Vermögenseinkommen den 1. Rang ein. Wie in keinem anderen
Bundesland stiegen die Kassen der hiesigen Reichen um 20,5 Prozent. Die
Kluft zwischen Arm und Reich ist größer geworden.
Das Zusammenspiel von
Kapital und Kabinett hat, wie das Ergebnis zeigt, funktioniert. Schon
die CDU-Alleinregierung hat die Schaffung eines breit angelegten
Niedriglohnsektors im Saarland als Hauptelement ihrer
Wirtschaftspolitik betrieben. Inzwischen liegen in 26 Branchen die
untersten Stundenlöhne unter dem vom DGB geförderten
Mindestlohn von 8,50 €. Ein Fünftel aller
Saarländer - überwiegend befristet bzw. in Teilzeit
Beschäftigte, Minijobber und vor allem Leiharbeiter - arbeitet
zu Niedriglöhnen. Lohndumping schreitet immer weiter voran.
Für diese Bilanz ist der Müller-Regierung das Lob der
Unternehmerverbände gewiss.
In der Krise waren es
insbesondere die Leiharbeiter, die gefeuert wurden. Inzwischen ist in
einem Teil der Industrie der Konjunkturaufschwung angekommen. Die
Kurzarbeit ist zurückgefahren bzw. beendet. Die
Leiharbeitsfirmen sind wieder an Bord. Wie im Casino der
Finanzspekulanten geht das Spiel der Profitmaximierung weiter.
Der
FDP-Wirtschaftsminister brüstet sich mit Wirtschaftswachstum
und Beschäftigungszunahme wie seit Jahren nicht mehr. Die
Arbeitskammer schreibt zu diesem vermeintlichen Wunder: „Die
günstige Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung beruht ausschließlich auf dem
Arbeitsplatzwachstum im Dienstleistungsbereich. 233.600 Menschen sind
mittlerweile in diesem Sektor beschäftigt. Das 65 Prozent
aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und 7.300
mehr als im August 2009. Über 45 Prozent dieser Zunahme
beruhen allerdings auf dem Wachstum der
Arbeitnehmerüberlassungsbranche, also Jobs vor allem in der
Industrie die eher mit Niedriglohnbeschäftigung und
„Heuern und Feuern“ verbunden sind als mit
„guter Arbeit“.“
38.800
Saarländerinnen und Saarländer sind im Januar 2011
offiziell arbeitslos gemeldet. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist
nie wirklich zurückgegangen, sie steigt wieder deutlich
an. Über 26.000 Arbeitslose leben von Hartz IV, Mehr
als 15.300 Erwerbstätige müssen mit
ergänzendem Arbeitslosengeld ihre Existenz sichern. Die
tatsächliche „Unterbeschäftigung“
liegt nach Berechnungen der Arbeitskammer aktuell bei 50.000 Menschen.
Jeder 6. im Saarland, das sind 16 Prozent der Bevölkerung, ist
von Armut gefährdet. (Heft 8/Dezember 2010 arbeitnehmer)
Es braucht nicht
spekuliert zu werden, was eine Jamaika-Regierung unter neuer
Führung bringt. Die designierte Ministerpräsidentin
Kramp-Karrenbauer tritt ein Erbe an, dass sie selbst als
Regierungsmitglied von Anfang an mit zu verantworten hatte. Dass es im
hoch verschuldeten Saarland keine finanziellen Spielräume
gibt, um irgendwelche Wohltaten an das Volk zu verteilen, ist eine
Binsenweisheit. Dass vorhandene Umverteilungsmöglichkeiten
innerhalb des Landeshaushaltes zugunsten von sozialen Aufgaben,
Beschäftigungsförderung, benachteiligte Stadtteilen
usw. gerade jetzt von der neuen Regierungsspitze genutzt werden, ist
ebenfalls sehr unwahrscheinlich.
Was bleibt sind die
„kleinen Geschenke“, Beförderungen und
Pöstchen für die eigene Klientel. Was bleibt ist die
Rotstiftpolitik insbesondere im Sozialhaushalt. 35 Millionen
freiwillige Leistungen werden gestrichen; davon sind viele soziale und
kulturelle Projekte sowie die Behindertenförderung betroffen.
Die Landesbediensteten werden mit Nullrunden abgespeist, Personalabbau
ist angesagt. Die Kommunen werden mit einer eigenen Schuldenbremse
geknebelt, hier stehen nicht nur „freiwillige
Leistungen“ wie Schwimmbäder, Büchereien,
Zuschüsse für Vereine usw. auf dem Spiel, die
öffentliche Daseinsfürsorge in den Kommunen ist im
Kern gefährdet.
Der politische Knoten
kann nur durch einen wirklichen Politikwechsel zum Platzen gebracht
werden. Die Bewegung für einen Politikwechsel im Saarland war
schon einmal stärker als es jetzt erforderlich wäre.
Den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, den linken Kräften
gelingt es zur Zeit aus unterschiedlichen Gründen nicht, den
notwendigen Druck aufzubauen, um die schwächelnde Regierung
ins Wanken zu bringen. Eine Ursache dafür ist auch die
Verunsicherung in den Belegschaften. Vor einem Jahr noch in Kurzarbeit
mit Lohnverlusten, werden jetzt von ihnen Überstunden und
Wochenendarbeit im Übermaß verlangt. Die
Auftragsbücher in automobilnahen Unternehmen sind brechend
voll, Beschäftigte werden neu eingestellt. An anderen Stellen
in den Produktionsketten haben die Krise und die Finanzinvestoren die
Betriebe voll im Griff. Die Belegschaften von Saar-Gummi und
Halberg-Guß zum Beispiel kämpfen verbittert um ihre
Arbeitsplätze und die Fortführung ihrer
Betriebsstandorte.
Vor dem Hintergrund
dieser „gespaltenen Konjunktur“ ist die
Mobilisierungsfähigkeit und –möglichkeiten
für den „heißen Herbst“ 2010 in
den saarländischen Betrieben im nach hinein differenziert
einzuschätzen. Wirkungsvolle Vor-Ort-Aktionen zeigten
insbesondere die Kolleginnen und Kollegen aus den ver.di-Bereichen. Der
Ansatz der Herbst-Aktionen ist richtig, Kampagnen eine
übergreifende politische Orientierung zu geben, die in den
Betrieben aufgegriffen wird. Damit kann einem Politikwechsel unten, in
den Belegschaften, die erforderliche Bodenhaftung gegeben werden.
Auch Sicht der DKP ist
die Erarbeitung und der Streit um die Durchsetzung eines
Landesentwicklungsprogramms wichtiger Bestandteil für einen
Politikwechsel im Saarland. Im Mittelpunkt eines solchen Programms
stehen unter anderem Forderungen und Vorschläge für
eine Umverteilung von oben nach unten und damit verbunden für
ein Entschuldungsprogramm, für die Zukunft von Arbeit, Umwelt
und Energie, die Vergesellschaftung von Schlüsselunternehmen
und Banken, um nur einige zentrale Politikfelder zu benennen.
F. Herger (Foto: Andreas Schepers on flickr)
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