1. Die Jamaica-Regierung ist im Saarland ein Jahr im Amt. Bekannt
ist, dass sie mit Lug und Trug zustande kam. Wie ist aus Sicht der DKP ihre
Bilanz?
Thomas: Das Haushaltsjahr 2011 ist das erste Jahr, in dem
gemäß den Vorgaben der sog. Schuldenbremse das strukturelle Defizit des Landes
um 10 % zu verringern ist. Für den Haushalt 2011 bedeutet dies eine Einsparung
von etwa 80 Millionen Euro und dies soll nun zehn Jahre lang so weitergehen.
Das Saarland wird kaputtgespart – die Eigenständigkeit des Saarlandes wird
auf´s Spiel gesetzt.
Nach wie vor gibt es kein Konzept gegen die Krise. Insolvenzen wie bei Halberg
Guss mit dem damit verbundenen Druck auf die Löhne und sozialen Leistungen,
Abbau von Arbeitsplätzen in zahlreichen Betrieben wie bei Saargummi und
parallel dazu die Beerdigung des Saarbergbaus – die ersten Bergleute von
insgesamt 1.700 mussten nach Ibbenbüren. Die Ersatzarbeitsplätze im Saarland,
die uns Peter Müller versprochen hat? Fehlanzeige! Von 2000 bis 2009 sind im
Saarland nach Angaben der Arbeitskammer 29.400 Vollzeit-Arbeitsverhältnisse
vernichtet worden, davon allein 8.000 in den letzten 12 Monaten des
Berichtszeitraums. Die einseitige Abhängigkeit von der Automobilindustrie
wächst weiter. Diese Landesregierung tut nichts für die Perspektive dieser
Beschäftigten - angesichts der vor uns stehenden Umwälzungen und Krisen in
dieser Branche ist dies unverantwortlich!
29 Prozent der Saarländerinnen und Saarländer sind dank der
fortgesetzten neoliberalen Wirtschaftspolitik der Landesregierung von
Leiharbeit betroffen, im Bundesdurchschnitt ist es 20,7 Prozent. Im September
2005 wurden saarlandweit über 10.200 „Aufstocker“ gezählt. Im September 2009
waren es schon 15.300 Erwerbstätige, die im ergänzenden Leistungsbezug standen.
Und die Eingliederung in Arbeit führt nur bei etwa jedem zweiten Leistungsempfänger
zu finanzieller Unabhängigkeit. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die
Unternehmer nach der Krise keine neuen Normalarbeitsplätze schaffen, sondern
vor allem auf zusätzliche Leiharbeit setzen.
Susanne: 2 weitere Fakten: Die Warteschleifen für Jugendliche
in berufsbildenden Maßnahmen werden immer länger und am Ende kommt für viele
kein Ausbildungsplatz heraus. Deshalb fordern wir neben der Ausbildungsabgabe
1.000 Ausbildungsplätze sofort und die Einrichtung von 1.500 schulischen
Angeboten, den Hauptschulabschluss nachzuholen. Auch das Versprechen der
Grünen, das furchtbare Flüchtlingslager in Lebach aufzulösen, bleibt unerfüllt.
2. Nun kann ja die Politik der Grünen im Bund schon nicht
als linke Politik bezeichnet werden, was ist das für eine Grüne-Politik-Variante
im Saarland?
Susanne: Im Saarland wird die Politik der neoliberalen
Bundesregierung nach unten durchgereicht. Die Grünen sind im Saarland die
Mehrheitsbeschaffer für diese Politik. Das Saarland ist ein Testlauf für neue
Mehrheiten von CDU und FDP mit den Grünen im Bund.
Thomas: Die Grünen wollen in dieser Koalition illusionäre
und sehr schwammige Positionen für einen „grünen Kapitalismus“ vertreten. Es
soll eine „grüne“ Modifizierung und Erneuerung des kapitalistischen
Produktionsapparates und Dienstleistungssektors im Saarland stattfinden. Diese
„grüne Erneuerungs-Konzeption“ ist eine Luftnummer, weil sie jeden
antikapitalistischen Ansatz ausschließt. Ohne Eingriffe in die kapitalistischen
Eigentumsverhältnisse bleiben das „grüne“ Träume und ist Wählerbetrug. Die
Konzeption eines „ grünen Umbaus“ stellt stattdessen massive Anreize für das
Kapital in den Mittelpunkt. Ziel ist es neue Investitions-, Spekulations- und
vor allem Profitfelder für das Kapital zu eröffnen. Dafür sollen alle vorhandenen
Ressourcen (u. a. Streichung der „Subventionen“ für die Steinkohle!)
mobilisiert werden. Da über den Landeshaushalt so gut wie nichts zu
mobilisieren ist, das Kapital, die Banken und die Reichen nicht zur Kasse
gebeten werden, ist klar erkennbar, wer hier zahlen soll: Die arbeitende
Bevölkerung! Sie soll weiter ausgeplündert werden! Sozialpolitik findet deshalb
in der Koalitionsvereinbarung schon gar nicht statt!
3. Auf wen stützt sich diese Regierung, wem dient sie?
Susanne: Laut der Saarbrücker Zeitung vom 16. Februar 2010
flossen insgesamt rund 20 Millionen Euro Spenden von Firmen und Verbänden an
CDU, FDP, SPD und Grüne. Im Saarland wurde von der Müller-Regierung offenbar
ein Vielfaches nun zurückgezahlt. Der Unternehmer Ostermann und FDP-Vorsitzende
in Saarbrücken hat über Jahre keine Steuern bezahlt. Die Rede ist von 60
Millionen Euro an Steuergeschenken.
Der FDP-Wirtschaftsminister Hartmann forderte, dass
Hartz-IV-Empfängern und nichterwerbstätigen Frauen und Männern auch das
Elterngeld gestrichen werden soll. Im Koalitionsvertrag sollen Unternehmen
lediglich „sensibilisiert“ werden, Männern und Frauen gleichen Lohn zu zahlen.
Der Unterschied liegt derzeit bei 23%!
Thomas: Diese Landesregierung ist ein Interessenwahrer und
Handlanger des Kapitals und deren Klientel. Sie kann mit Aktionismus und
propagandistischen Aktionen sich darstellen wie sie will: Sie dient den
Reichen, den Großunternehmern, dem Finanzkapital und der Rüstungslobby!
4. In allen entscheidenden gesellschaftspolitischen Fragen
hat diese Jamaika-Regierung Mehrheiten gegen sich. Wie können aus Sicht der DKP
diese Mehrheiten wirksam werden für eine Ablösung dieser Koalition?
Susanne: Am wirkungsvollsten wäre es, wenn die DGB-
Gewerkschaften ihre vorhandene Kraft für den Widerstand und den notwendigen
Politikwechsel stärker als bisher mit in die Waagschale werfen würden. Wenn die
vielen Signale für einen heißen Herbst in die Betriebe und auf die Straße
gebracht werden können, wäre dies auch eine spürbare Antwort an die
Jamaika-Regierung!
Es gibt beeindruckende Wahlergebnisse für die linken Kräfte.
Die Situation (auch) im Saarland lehrt aber, dass die „Arme kurz bleiben“ für
eine andere Politik, wenn nicht der außerparlamentarische Druck mit neuen
Initiativen und neuen Herangehensweisen belebt und verstärkt wird.
Unser Appell geht in dieser Situation auch an die Partei DIE
LINKE im Saarland. Es wäre sehr nutzbringend und vor allem wirkungsvoll, wenn
die gewonnenen parlamentarischen Kräfte hierfür mobilisiert und eingesetzt
würden. Unser Appell geht auch an die SPD im Saarland jetzt endlich konsequente
Schlussfolgerungen für einen Politikwechsel zu ziehen und sich ohne wenn und
aber von der Agenda 2010 und Hartz-IV zu verabschieden!
Thomas: Genau, wodurch soll sich das momentane Kräfteverhältnis
ändern, wenn nicht durch das Zusammenfinden und Zusammenwirken aller, die
diesen Politikwechsel wollen und für erforderlich halten. Das lehrt uns doch
gerade der Kampf gegen Stuttgart 21. Das Trennende muss beiseitegeschoben
werden - das Gemeinsame muss die Plattform sein.
Susanne: Ziel muss es sein eine aktiv handelnde Allianz vor
allem außerparlamentarisch für einen Politikwechsel zu entwickeln, die mit der
parlamentarischen Arbeit mit all denjenigen, die für diesen Politikwechsel
eintreten, eng verbunden werden muss. Nur so können auch Widersprüche zwischen
der Durchsetzung eines Politikwechsels und den sogenannten „Sachzwängen“ in
Koalitionen usw. überwunden werden!
5. Jetzt ist die Partei DIE LINKE mit Oskar Lafontaine als
Fraktionschef in beachtlicher Stärke im Landtag vertreten. Wie beurteilt die
DKP deren Handeln?
Susanne: Im Referat der BDK haben wir gesagt, dass viele
Menschen in unserem Land in der Partei DIE LINKE einen Hoffnungsträger für
soziale Gerechtigkeit sehen. Sie hat bei den Landtagswahlen über 20% der
Stimmen erhalten. Auch dies zeigt, dass eine wachsende Zahl eine andere Politik
will. Die zentrale Frage ist: Gelingt es die Menschen dafür zu gewinnen, sich
für eine andere Politik zu engagieren und mitzuhelfen die Müller-Regierung
abzulösen und einen Politikwechsel durchzusetzen? Der stellvertretende
Parteivorsitzende der Partei DIE LINKE Heinz Bierbaum betonte in seinem
Grußwort auf unserer Bezirksdelegiertenkonferenz, die Bedeutung der
außerparlamentarischen Bewegung für politische Veränderungen und sprach sich
für die stärkere Zusammenarbeit beider Parteien in Bündnissen für einen
Politikwechsel aus. Es kommt hinzu, dass sich die Partei DIE LINKE mit ihrem
neuen Programmentwurf als eine Partei positioniert, die wesentliche Veränderungen
- auch im System des Kapitalismus - erreichen will. Lafontaine hat die
Programmkommission ja geleitet. Es kommt natürlich darauf an, dass sich diese
Ansätze auch in der Realität, auch im Saarland, umsetzen. Wir werden
solidarisch mit der laufenden Programmdebatte der Partei DIE LINKE umgehen,
unsere Positionen – dort wo gewünscht und es möglich ist– ohne einbringen. Wir
haben uns auch an die SPD im Saarland mit der Aufforderung gewandt, sich ohne
wenn und aber von der Agenda 2010, von Hartz-IV und der Rente mit 67 zu
verabschieden.
Thomas: Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass die
Entwicklung der Partei DIE LINKEN ein Fortschritt für die politische Situation
in unserem Land ist. Aber eines ist auch klar. Die Partei DIE LINKE ist keine
durchgängig sozialistische Partei, sie betreibt vielerorts genau das Gegenteil
von dem, was im Programmentwurf formuliert ist. In vielen Städten und Kommunen
passen sie sich den sogenannten Sachzwängen an. Wir kennen diese Entwicklung
zur „Kraft des kleineren Übels“ zur Genüge, es gibt genug solcher politischen
Kräfte. Gefragt ist doch heute die klare Kante gegen Militarisierung,
Sparpolitik und Kapitalinteressen. Wir brauchen keine „Sparer, die nicht
wehtun“ - wir brauchen „Opposition, die den Herrschenden weh tut“. Widerstand
ist gefragt - nicht Anpassung - und dafür stehen wir, steht in diesem Land die
DKP wie keine andere Partei.
6. SPD und Partei DIE LINKE sagen, sie wollen nach wie vor
einen Politikwechsel. Was muss ein solcher Politikwechsel aus Sicht der DKP beinhalten?
Thomas: Wir streiten für die Erarbeitung und Durchsetzung
eines Landesentwicklungsprogramms mit dem Grundsatz „Der Mensch kommt vor dem
Profit“. Im Mittelpunkt eines solchen Programms muss die Zukunft der Arbeit
stehen. Es muss Sofortmaßnahmen beinhalten, wie Massenarbeitslosigkeit und
soziale Not sofort bekämpft werden können, wie die Kinderarmut überwunden und
Altersarmut verhindert wird. Es muss Wege aufzeigen, wie die Zerstörung der
ökologischen Existenzgrundlagen beendet und eine Energiewende herbeigeführt
wird. Es muss klare Maßnahmen enthalten, wie Bildung, Gesundheit für alle
gesichert, wie mehr Mitbestimmung in Betrieb und Gesellschaft durchgesetzt
wird!
Zur Verbesserung der Finanzsituation des Saarlandes fordern
wir die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Anhebung des
Spitzensteuersatzes, gesetzliche Maßnahmen zur Abschöpfung der
Spekulationsgewinne, mehr Steuergerechtigkeit. Wir fordern die konsequente
Anwendung bestehender Gesetze gegen Steuerhinterzieher!
Dafür muss das Saarland im Bundesrat aktiv werden!
Wir fordern: Nein zu Schuldenbremse und Sozialabbau, keine
Abwälzung der Krisenlasten nach unten. Notwendig ist die Steigerung der
Massenkaufkraft die Erhöhung von Löhnen, Renten, Arbeitslosengeld. Weg mit
Hartz-IV und der Rente mit 67! Her mit dem gesetzlichen Mindestlohn!
Wir fordern die Umverteilung von oben nach unten! Wir
fordern die Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien, wie z. B. den
Energiesektor, der Banken und Versicherungen gemäß dem Grundgesetz und der Landesverfassung! Nein
zur Privatisierung öffentlichen Eigentums und öffentlicher Aufgaben!
Susanne: Es müssen konkrete Veränderungen der bisherigen
Politik benannt werden. Zum Beispiel: Wird das dreigliedrige Schulsystem
aufgehoben und durch eine Schule für alle ersetzt? Gibt es ein Sofortprogramm
zur Schaffung von Ausbildungsplätzen? Wie wird der Zugang für Frauen zur
Erwerbsarbeit verbessert und Diskriminierungen aufgehoben?
7. Die DKP hat bekannter weise aktuell nicht allzu viel
Kraft. Wie seht ihr die Rolle und Bedeutung der DKP im Saarland in diesem
Prozess?
Thomas: Im von unserer Bezirkskonferenz beschlossenen
Leitantrag schreiben wir realistisch: „Die DKP ist im Saarland eine Kraft mit
reduziertem Kräftepotential“ Das heißt nun aber nicht, dass unsere Gefühlslage
etwa von Positionen bestimmt ist, dass wir als politische Kraft bedeutungslos
oder überflüssig geworden sind. Im Gegenteil. Wir ernten zunehmend und spürbar
Anerkennung für unsere marxistischen Analysen und Einschätzungen, für unsere
klassenmäßigen Positionen zu den Gewerkschaften, für unseren
antiimperialistischen Standpunkt, für unseren konsequenten Antiimperialismus
und für viele unserer alternativen Vorschläge. Vor allem sammeln wir in den
aktuellen Auseinandersetzungen viele, wichtige Erfahrungen und gewinnen
Erkenntnisse dazu, wie die künftige DKP als kommunistische Partei
programmatisch aufgestellt und organisatorisch beschaffen sein muss. Mit dem
Ohr an den arbeitenden Menschen, mit Losungen, die am vorhandenen Bewusstsein
anknüpft anstatt abzuschrecken. Mit der klaren Perspektive, die die heutigen
Abwehrkämpfe einbettet in eine Strategie für gesellschaftliche Veränderungen,
für die Überwindung des Kapitalismus.
Susanne: Die DKP muss ihr Profil als aktionsorientierte
Kraft weiter stärken und damit mehr Ausstrahlung gewinnen und so neues
Interesse für die DKP und die UZ entwickeln. Wir müssen darum ringen, dass
dieses Herangehen stärker honoriert wird und sichtbarere Erfolge bringt.
8. Die DKP ist bemüht im Saarland ihre Politik auf der
Grundlage ihres Parteiprogramms und der Beschlüsse des Parteivorstandes zu
entwickeln. Wie sind die Erfahrungen damit? Was erwartet ihr in diesem Sinne
vom 19. Parteitag der DKP?
Susanne: Wir haben bisher die Erfahrung gemacht, dass es uns
nützt, das Parteiprogramm entsprechend unseren Bedingungen im Saarland
umzusetzen. Wir sehen in unserer täglichen Arbeit vor Ort das Parteiprogramm
bestätigt und sind der Auffassung, dass die wesentlichen Fragen in ihm richtig
aufgegriffen und beantwortet wurden. Dies gilt für die eigene
Politikentwicklung als auch für die Zusammenarbeit mit vielen Bündniskräften im
Saarland. Ich verweise hier auf eine große Demonstration am 18. September in
Perl gegen die Laufzeitverlängerung und für den Ausstieg aus der Atomenergie.
Es gab dazu einen gemeinsamen Aufruf von DKP, PDL, SPD, Grünen, attac und
Umweltverbänden. Mittlerweile haben über 12.000 Einzelpersonen den Aufruf
unterstützt.
Thomas: Wir wollen Politik entwickeln und eingreifen. Wir
wollen mithelfen, dass der Parteitag mit der politischen Resolution und dem
aktionsorientierten Forderungsprogramm unsere Partei politisch vorwärts bringt,
unsere Attraktivität für die arbeitenden Menschen in diesem Land erhöht. Und
wir wünschen uns Personalentscheidungen, die diesen Kurs für eine zukunftsfähige
DKP unterstützen.
Die Fragen stellte Artur Moses.
(Oktober 2010)
( Seitenanfang
) |