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Interview mit Thomas Hagenhofer, Bezirksvorsitzender, und Susanne Bauermann stellv. Bezirksvorsitzende, über ein Jahr CDU-FDP-Grüne-Koalition im Saarland

Staatskanzlei1. Die Jamaica-Regierung ist im Saarland ein Jahr im Amt. Bekannt ist, dass sie mit Lug und Trug zustande kam. Wie ist aus Sicht der DKP ihre Bilanz?

Thomas: Das Haushaltsjahr 2011 ist das erste Jahr, in dem gemäß den Vorgaben der sog. Schuldenbremse das strukturelle Defizit des Landes um 10 % zu verringern ist. Für den Haushalt 2011 bedeutet dies eine Einsparung von etwa 80 Millionen Euro und dies soll nun zehn Jahre lang so weitergehen. Das Saarland wird kaputtgespart – die Eigenständigkeit des Saarlandes wird auf´s Spiel gesetzt.
Nach wie vor gibt es kein Konzept gegen die Krise. Insolvenzen wie bei Halberg Guss mit dem damit verbundenen Druck auf die Löhne und sozialen Leistungen, Abbau von Arbeitsplätzen in zahlreichen Betrieben wie bei Saargummi und parallel dazu die Beerdigung des Saarbergbaus – die ersten Bergleute von insgesamt 1.700 mussten nach Ibbenbüren. Die Ersatzarbeitsplätze im Saarland, die uns Peter Müller versprochen hat? Fehlanzeige! Von 2000 bis 2009 sind im Saarland nach Angaben der Arbeitskammer 29.400 Vollzeit-Arbeitsverhältnisse vernichtet worden, davon allein 8.000 in den letzten 12 Monaten des Berichtszeitraums. Die einseitige Abhängigkeit von der Automobilindustrie wächst weiter. Diese Landesregierung tut nichts für die Perspektive dieser Beschäftigten - angesichts der vor uns stehenden Umwälzungen und Krisen in dieser Branche ist dies unverantwortlich!

29 Prozent der Saarländerinnen und Saarländer sind dank der fortgesetzten neoliberalen Wirtschaftspolitik der Landesregierung von Leiharbeit betroffen, im Bundesdurchschnitt ist es 20,7 Prozent. Im September 2005 wurden saarlandweit über 10.200 „Aufstocker“ gezählt. Im September 2009 waren es schon 15.300 Erwerbstätige, die im ergänzenden Leistungsbezug standen. Und die Eingliederung in Arbeit führt nur bei etwa jedem zweiten Leistungsempfänger zu finanzieller Unabhängigkeit. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Unternehmer nach der Krise keine neuen Normalarbeitsplätze schaffen, sondern vor allem auf zusätzliche Leiharbeit setzen.

Susanne: 2 weitere Fakten: Die Warteschleifen für Jugendliche in berufsbildenden Maßnahmen werden immer länger und am Ende kommt für viele kein Ausbildungsplatz heraus. Deshalb fordern wir neben der Ausbildungsabgabe 1.000 Ausbildungsplätze sofort und die Einrichtung von 1.500 schulischen Angeboten, den Hauptschulabschluss nachzuholen. Auch das Versprechen der Grünen, das furchtbare Flüchtlingslager in Lebach aufzulösen, bleibt unerfüllt.

2. Nun kann ja die Politik der Grünen im Bund schon nicht als linke Politik bezeichnet werden, was ist das für eine Grüne-Politik-Variante im Saarland?

Susanne: Im Saarland wird die Politik der neoliberalen Bundesregierung nach unten durchgereicht. Die Grünen sind im Saarland die Mehrheitsbeschaffer für diese Politik. Das Saarland ist ein Testlauf für neue Mehrheiten von CDU und FDP mit den Grünen im Bund.

Thomas: Die Grünen wollen in dieser Koalition illusionäre und sehr schwammige Positionen für einen „grünen Kapitalismus“ vertreten. Es soll eine „grüne“ Modifizierung und Erneuerung des kapitalistischen Produktionsapparates und Dienstleistungssektors im Saarland stattfinden. Diese „grüne Erneuerungs-Konzeption“ ist eine Luftnummer, weil sie jeden antikapitalistischen Ansatz ausschließt. Ohne Eingriffe in die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse bleiben das „grüne“ Träume und ist Wählerbetrug. Die Konzeption eines „ grünen Umbaus“ stellt stattdessen massive Anreize für das Kapital in den Mittelpunkt. Ziel ist es neue Investitions-, Spekulations- und vor allem Profitfelder für das Kapital zu eröffnen. Dafür sollen alle vorhandenen Ressourcen (u. a. Streichung der „Subventionen“ für die Steinkohle!) mobilisiert werden. Da über den Landeshaushalt so gut wie nichts zu mobilisieren ist, das Kapital, die Banken und die Reichen nicht zur Kasse gebeten werden, ist klar erkennbar, wer hier zahlen soll: Die arbeitende Bevölkerung! Sie soll weiter ausgeplündert werden! Sozialpolitik findet deshalb in der Koalitionsvereinbarung schon gar nicht statt!

3. Auf wen stützt sich diese Regierung, wem dient sie?

Susanne: Laut der Saarbrücker Zeitung vom 16. Februar 2010 flossen insgesamt rund 20 Millionen Euro Spenden von Firmen und Verbänden an CDU, FDP, SPD und Grüne. Im Saarland wurde von der Müller-Regierung offenbar ein Vielfaches nun zurückgezahlt. Der Unternehmer Ostermann und FDP-Vorsitzende in Saarbrücken hat über Jahre keine Steuern bezahlt. Die Rede ist von 60 Millionen Euro an Steuergeschenken.

Der FDP-Wirtschaftsminister Hartmann forderte, dass Hartz-IV-Empfängern und nichterwerbstätigen Frauen und Männern auch das Elterngeld gestrichen werden soll. Im Koalitionsvertrag sollen Unternehmen lediglich „sensibilisiert“ werden, Männern und Frauen gleichen Lohn zu zahlen. Der Unterschied liegt derzeit bei 23%!

Thomas: Diese Landesregierung ist ein Interessenwahrer und Handlanger des Kapitals und deren Klientel. Sie kann mit Aktionismus und propagandistischen Aktionen sich darstellen wie sie will: Sie dient den Reichen, den Großunternehmern, dem Finanzkapital und der Rüstungslobby!

4. In allen entscheidenden gesellschaftspolitischen Fragen hat diese Jamaika-Regierung Mehrheiten gegen sich. Wie können aus Sicht der DKP diese Mehrheiten wirksam werden für eine Ablösung dieser Koalition?

Susanne: Am wirkungsvollsten wäre es, wenn die DGB- Gewerkschaften ihre vorhandene Kraft für den Widerstand und den notwendigen Politikwechsel stärker als bisher mit in die Waagschale werfen würden. Wenn die vielen Signale für einen heißen Herbst in die Betriebe und auf die Straße gebracht werden können, wäre dies auch eine spürbare Antwort an die Jamaika-Regierung!

Es gibt beeindruckende Wahlergebnisse für die linken Kräfte. Die Situation (auch) im Saarland lehrt aber, dass die „Arme kurz bleiben“ für eine andere Politik, wenn nicht der außerparlamentarische Druck mit neuen Initiativen und neuen Herangehensweisen belebt und verstärkt wird.

Unser Appell geht in dieser Situation auch an die Partei DIE LINKE im Saarland. Es wäre sehr nutzbringend und vor allem wirkungsvoll, wenn die gewonnenen parlamentarischen Kräfte hierfür mobilisiert und eingesetzt würden. Unser Appell geht auch an die SPD im Saarland jetzt endlich konsequente Schlussfolgerungen für einen Politikwechsel zu ziehen und sich ohne wenn und aber von der Agenda 2010 und Hartz-IV zu verabschieden!

Thomas: Genau, wodurch soll sich das momentane Kräfteverhältnis ändern, wenn nicht durch das Zusammenfinden und Zusammenwirken aller, die diesen Politikwechsel wollen und für erforderlich halten. Das lehrt uns doch gerade der Kampf gegen Stuttgart 21. Das Trennende muss beiseitegeschoben werden - das Gemeinsame muss die Plattform sein.

Susanne: Ziel muss es sein eine aktiv handelnde Allianz vor allem außerparlamentarisch für einen Politikwechsel zu entwickeln, die mit der parlamentarischen Arbeit mit all denjenigen, die für diesen Politikwechsel eintreten, eng verbunden werden muss. Nur so können auch Widersprüche zwischen der Durchsetzung eines Politikwechsels und den sogenannten „Sachzwängen“ in Koalitionen usw. überwunden werden!

5. Jetzt ist die Partei DIE LINKE mit Oskar Lafontaine als Fraktionschef in beachtlicher Stärke im Landtag vertreten. Wie beurteilt die DKP deren Handeln?

Susanne: Im Referat der BDK haben wir gesagt, dass viele Menschen in unserem Land in der Partei DIE LINKE einen Hoffnungsträger für soziale Gerechtigkeit sehen. Sie hat bei den Landtagswahlen über 20% der Stimmen erhalten. Auch dies zeigt, dass eine wachsende Zahl eine andere Politik will. Die zentrale Frage ist: Gelingt es die Menschen dafür zu gewinnen, sich für eine andere Politik zu engagieren und mitzuhelfen die Müller-Regierung abzulösen und einen Politikwechsel durchzusetzen? Der stellvertretende Parteivorsitzende der Partei DIE LINKE Heinz Bierbaum betonte in seinem Grußwort auf unserer Bezirksdelegiertenkonferenz, die Bedeutung der außerparlamentarischen Bewegung für politische Veränderungen und sprach sich für die stärkere Zusammenarbeit beider Parteien in Bündnissen für einen Politikwechsel aus. Es kommt hinzu, dass sich die Partei DIE LINKE mit ihrem neuen Programmentwurf als eine Partei positioniert, die wesentliche Veränderungen - auch im System des Kapitalismus - erreichen will. Lafontaine hat die Programmkommission ja geleitet. Es kommt natürlich darauf an, dass sich diese Ansätze auch in der Realität, auch im Saarland, umsetzen. Wir werden solidarisch mit der laufenden Programmdebatte der Partei DIE LINKE umgehen, unsere Positionen – dort wo gewünscht und es möglich ist– ohne einbringen. Wir haben uns auch an die SPD im Saarland mit der Aufforderung gewandt, sich ohne wenn und aber von der Agenda 2010, von Hartz-IV und der Rente mit 67 zu verabschieden.

Thomas: Wir bleiben bei unserer Einschätzung, dass die Entwicklung der Partei DIE LINKEN ein Fortschritt für die politische Situation in unserem Land ist. Aber eines ist auch klar. Die Partei DIE LINKE ist keine durchgängig sozialistische Partei, sie betreibt vielerorts genau das Gegenteil von dem, was im Programmentwurf formuliert ist. In vielen Städten und Kommunen passen sie sich den sogenannten Sachzwängen an. Wir kennen diese Entwicklung zur „Kraft des kleineren Übels“ zur Genüge, es gibt genug solcher politischen Kräfte. Gefragt ist doch heute die klare Kante gegen Militarisierung, Sparpolitik und Kapitalinteressen. Wir brauchen keine „Sparer, die nicht wehtun“ - wir brauchen „Opposition, die den Herrschenden weh tut“. Widerstand ist gefragt - nicht Anpassung - und dafür stehen wir, steht in diesem Land die DKP wie keine andere Partei.

6. SPD und Partei DIE LINKE sagen, sie wollen nach wie vor einen Politikwechsel. Was muss ein solcher Politikwechsel aus Sicht der DKP beinhalten?

Thomas: Wir streiten für die Erarbeitung und Durchsetzung eines Landesentwicklungsprogramms mit dem Grundsatz „Der Mensch kommt vor dem Profit“. Im Mittelpunkt eines solchen Programms muss die Zukunft der Arbeit stehen. Es muss Sofortmaßnahmen beinhalten, wie Massenarbeitslosigkeit und soziale Not sofort bekämpft werden können, wie die Kinderarmut überwunden und Altersarmut verhindert wird. Es muss Wege aufzeigen, wie die Zerstörung der ökologischen Existenzgrundlagen beendet und eine Energiewende herbeigeführt wird. Es muss klare Maßnahmen enthalten, wie Bildung, Gesundheit für alle gesichert, wie mehr Mitbestimmung in Betrieb und Gesellschaft durchgesetzt wird!

Zur Verbesserung der Finanzsituation des Saarlandes fordern wir die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Anhebung des Spitzensteuersatzes, gesetzliche Maßnahmen zur Abschöpfung der Spekulationsgewinne, mehr Steuergerechtigkeit. Wir fordern die konsequente Anwendung bestehender Gesetze gegen  Steuerhinterzieher! Dafür muss das Saarland im Bundesrat aktiv werden!

Wir fordern: Nein zu Schuldenbremse und Sozialabbau, keine Abwälzung der Krisenlasten nach unten. Notwendig ist die Steigerung der Massenkaufkraft die Erhöhung von Löhnen, Renten, Arbeitslosengeld. Weg mit Hartz-IV und der Rente mit 67! Her mit dem gesetzlichen Mindestlohn!

Wir fordern die Umverteilung von oben nach unten! Wir fordern die Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien, wie z. B. den Energiesektor, der Banken und Versicherungen gemäß dem  Grundgesetz und der Landesverfassung! Nein zur Privatisierung öffentlichen Eigentums und öffentlicher Aufgaben!

Susanne: Es müssen konkrete Veränderungen der bisherigen Politik benannt werden. Zum Beispiel: Wird das dreigliedrige Schulsystem aufgehoben und durch eine Schule für alle ersetzt? Gibt es ein Sofortprogramm zur Schaffung von Ausbildungsplätzen? Wie wird der Zugang für Frauen zur Erwerbsarbeit verbessert und Diskriminierungen aufgehoben?

7. Die DKP hat bekannter weise aktuell nicht allzu viel Kraft. Wie seht ihr die Rolle und Bedeutung der DKP im Saarland in diesem Prozess?

Thomas: Im von unserer Bezirkskonferenz beschlossenen Leitantrag schreiben wir realistisch: „Die DKP ist im Saarland eine Kraft mit reduziertem Kräftepotential“ Das heißt nun aber nicht, dass unsere Gefühlslage etwa von Positionen bestimmt ist, dass wir als politische Kraft bedeutungslos oder überflüssig geworden sind. Im Gegenteil. Wir ernten zunehmend und spürbar Anerkennung für unsere marxistischen Analysen und Einschätzungen, für unsere klassenmäßigen Positionen zu den Gewerkschaften, für unseren antiimperialistischen Standpunkt, für unseren konsequenten Antiimperialismus und für viele unserer alternativen Vorschläge. Vor allem sammeln wir in den aktuellen Auseinandersetzungen viele, wichtige Erfahrungen und gewinnen Erkenntnisse dazu, wie die künftige DKP als kommunistische Partei programmatisch aufgestellt und organisatorisch beschaffen sein muss. Mit dem Ohr an den arbeitenden Menschen, mit Losungen, die am vorhandenen Bewusstsein anknüpft anstatt abzuschrecken. Mit der klaren Perspektive, die die heutigen Abwehrkämpfe einbettet in eine Strategie für gesellschaftliche Veränderungen, für die Überwindung des Kapitalismus.

Susanne: Die DKP muss ihr Profil als aktionsorientierte Kraft weiter stärken und damit mehr Ausstrahlung gewinnen und so neues Interesse für die DKP und die UZ entwickeln. Wir müssen darum ringen, dass dieses Herangehen stärker honoriert wird und sichtbarere Erfolge bringt.

8. Die DKP ist bemüht im Saarland ihre Politik auf der Grundlage ihres Parteiprogramms und der Beschlüsse des Parteivorstandes zu entwickeln. Wie sind die Erfahrungen damit? Was erwartet ihr in diesem Sinne vom 19. Parteitag der DKP?

Susanne: Wir haben bisher die Erfahrung gemacht, dass es uns nützt, das Parteiprogramm entsprechend unseren Bedingungen im Saarland umzusetzen. Wir sehen in unserer täglichen Arbeit vor Ort das Parteiprogramm bestätigt und sind der Auffassung, dass die wesentlichen Fragen in ihm richtig aufgegriffen und beantwortet wurden. Dies gilt für die eigene Politikentwicklung als auch für die Zusammenarbeit mit vielen Bündniskräften im Saarland. Ich verweise hier auf eine große Demonstration am 18. September in Perl gegen die Laufzeitverlängerung und für den Ausstieg aus der Atomenergie. Es gab dazu einen gemeinsamen Aufruf von DKP, PDL, SPD, Grünen, attac und Umweltverbänden. Mittlerweile haben über 12.000 Einzelpersonen den Aufruf unterstützt.

Thomas: Wir wollen Politik entwickeln und eingreifen. Wir wollen mithelfen, dass der Parteitag mit der politischen Resolution und dem aktionsorientierten Forderungsprogramm unsere Partei politisch vorwärts bringt, unsere Attraktivität für die arbeitenden Menschen in diesem Land erhöht. Und wir wünschen uns Personalentscheidungen, die diesen Kurs für eine zukunftsfähige DKP unterstützen.

Die Fragen stellte Artur Moses.  (Oktober 2010)

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