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Liebe Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen, Freundinnen und Freunde,
unser alter
und leider auch neuer Herr Ministerpräsident machte es sich diese
Woche im SZ-Interview mal wieder historisch bequem, als es um die
Saarabstimmung ging. „Gleich welches Regime, gleich welche
Verfassungsordnung im Deutschland des Jahres 1935 geherrscht
hätte, jede Abstimmung hätte damals zu einem ähnlichen
Ergebnis geführt“, sagte er und verschweigt, wie sehr seine
konservativen Ziehväter in der deutschen Front damals zu
Deutschland wollten, nicht trotz - sondern gerade wegen Hitler. Der
leider im letzten Jahr und viel zu früh verstorbene Genosse
Luitwin Bies hätte getobt vor Wut. Und damit komme ich gleich zu
einer ersten Schlussfolgerung aus dieser Zeit für heute:
Faschismus darf nie wieder hoffähig, nie wieder
anschlussfähig werden in Richtung der vielbeschworenen politischen
Mitte.
Leider hat
sich hier in den vergangenen Jahrzehnten einiges, wenn auch
schleichend, zum schlechteren entwickelt. Neonazis demonstrieren immer
frecher ihre neu gewonnenen Spielräume, Übergriffe
häufen sich, sie greifen sogar 1. Mai-Demonstra-
tionen an oder überfallen Gewerkschafter in Demo-Bussen. In
manchen Regionen im Ostteil Deutschlands ist die NPD in den Augen
vieler Menschen eine Partei wie jede andere.
Wir
müssen also auf der Hut sein, denn meine zweite Schlussfolgerung
aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ist, dass Faschismus und
reaktionäre Politik bekämpft werden müssen, bevor sie in
den Machtkalküls der wirtschaftlich und politisch Herrschenden zu
einer Option werden, die Linke niederzumachen. Schon heute versuchen
Neonazis mit den so genannten „national befreiten Zonen“
diese Rolle einzunehmen. Deshalb muss beides geschehen: Faschistische
Organisationen müssen verboten und gleichzeitig deren Ideologie
bekämpft werden.
Soweit so
allgemein liebe Freunde, aber heute durchleben wir die
größte ökonomische Krise des Kapitalismus seit Anfang
des 20. Jahrhunderts.
Und nicht nur das: „Erstmals in der Geschichte verbinden sich -
verursacht durch die kapitalistische Produktionsweise - eine globale
Finanz- und Wirtschaftskrise mit einer globalen ökologischen
Krise, einer Energiekrise, einer große Teile der Menschheit
erfassenden Ernährungskrise, einer Krise der Demokratie und der
politischen Repräsentativität und mit verschärfter
Prekarisierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen zu einer
umfassenden Krise der menschlichen Zivilisation. (...)
Solche Krisen waren schon immer Wendepunkte der geschichtlichen Entwicklung.
Die nächsten Jahre werden von einer Situation geprägt sein,
in der verschiedene Kräfte um die Bewältigung der Krise
ringen und in der offen ist, welche Kräfte und Tendenzen sich
durchsetzen werden. Definitive Antworten auf Fragen, deren Lösung
in der Zukunft liegen, sind nicht möglich. Aber mit den
Auseinandersetzungen der Gegenwart werden die Weichen für die
künftigen Lösungen gestellt. (…)
Der
neoliberale Block hat keine Antworten auf die Krise, die die Interessen
der untergeordneten Gruppen und Klassen berücksichtigen und den
aktiven Konsens wiederherstellen könnten. So wächst die
Gefahr autoritärer Lösungen. (…)
Ein progressiver Ausweg aus der Krise ist nur durchsetzbar, wenn in
einem längeren Prozess die gesellschaftlichen und politischen
Kräfteverhältnisse, wenn die ganze Richtung der
gesellschaftlichen Entwicklung grundlegend verändert wird: An die
Stelle des zerstörerischen Konzeptes ungebremsten kapitalistischen
Wirtschaftswachstums muss die Entwicklung einer gesellschaftlich
geplanten Produktion treten, in der steigende Arbeitsproduktivität
in Arbeitszeitverkürzung, steigende Löhne, bessere soziale
Sicherungssysteme und höhere öffentliche Investitionen
umgesetzt, und in der technologischer Fortschritt zu einer
ökologischen Wende in Produktion und Konsumtion genutzt wird.
Über öffentliche Investitionsprogramme - finanziert durch die
Abschöpfung großer Vermögen - muss der Übergang zu
einer anderen Produktions-, Konsumtions- und Lebensweise
(Energieeinsparung, erneuerbare Energien, Reduzierung
Schadstoffausstoß und Ressourcenverbrauch, Transport, kommunale
Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, Kultur...) gefördert werden.
Durch die radikale Demokratisierung von Staat, Gesellschaft und Betrieb
sowie durch die Überführung von Finanzkonzernen und
Schlüsselindustrien in öffentliches Eigentum unter
demokratischer Kontrolle muss die Macht des Kapitals eingeschränkt
werden.
Eine solche
Perspektive kann nur durch große gesellschaftliche Allianzen
erkämpft werden und da schließt sich der Kreis zum
Einheitsfrontabkommen 1934. Nur, wenn die Organisationen und Parteien
der Arbeiterbewegung – und das ist bei allen Unterschieden die
Parallele zu 1934 – gemeinsam mit anderen fortschrittlichen
Bewegungen für eine solche Veränderung kämpfen, kann aus
dieser Krise eine Wende im Sinne der Bevölkerungs¬mehrheit
erkämpft werden.“ [aus den politischen Thesen des
Sekretariats des Parteivorstands der DKP, LINK]
Und wir
haben ja das Negativbeispiel gerade erlebt: Offensichtlich ist es den
politisch und wirtschaftlich Mächtigen, sagen wir kurz dem
Kapital, gelungen, die Grünen als neue Mehrheitsbeschaffer
für ihre neoliberale Politik zu gewinnen. Dies war unserer Meinung
nach deshalb möglich, weil es vor und vor allem auch nach den
Landtagswahlen nicht gelungen ist, eine sichtbare breite Bewegung
für einen Politikwechsel auf die Beine zu stellen. Es muss sich
noch viel mehr bewegen, viel mehr Druck erzeugt werden in Betrieben und
auf der Straße, um einen politischen Richtungswechsel im
Interesse der Mehrheit der Saarländerinnen und Saarländer
durchzusetzen.
Ich
stimme dem Bild von Hans-Jürgen Urban vom Vorstand der IG Metall
zu, wenn er von der Perspektive einer Mosaik-Linken redet, im Programm
der DKP sagen wir dazu gesellschaftliche Allianzen gegen den
Neoliberalismus. Früher 1934 hieß das im
Einheitsfrontabkommen: „Es lebe die kämpfende Einheitsfront
der Werktätigen, es lebe die antifaschistische Front!“
Auch wenn das heute etwas verstaubt klingt, die Herausforderung bleibt:
Wir müssen damit beginnen, eine neue gesellschaftliche Breite von
Bewegungen über Organisations- und Weltanschauungsgrenzen hinweg
zu entwickeln. Nur dann werden wir die Regierungen in Berlin und
Saarbrücken von ihren unsozialen Vorhaben abbringen.
Steuergeschenke für die Reichen, Kaputtsparen der Reste des
Sozialstaates durch die Schuldenbremse und Kopfpauschalen in der
Krankenversicherung – das sind die größten
Herausforderungen.
Greifen wir die neoliberale Politik da an, wo sie am Offensichtlichsten
gegen das Gerechtigkeitsempfinden von weiten Teilen der
Bevölkerung verstößt und tun wir es gemeinsam. Wirken
wir für einen kämpferischen Umgang mit den neuen
Herausforderungen und vernetzen wir uns - z.B. mit Schüler- und
Studierendenbewegung, die sich gegen neoliberale und konservative
Bildungspolitik zur Wehr setzen.
Machen wir gemeinsam klar, dass immer mehr Saarländerinnen und
Saarländer nicht länger bereit sind, ihr Recht auf Frieden,
Arbeit, Bildung; Demokratie und Gesundheit den Profitinteressen des
Kapitals zu unterwerfen. 1934 wie 2010 gilt: Der Mensch geht vor Profit!